Spontan hatten Andreas und ich über ein verlängertes Wochenende Zeit und folgten unserem lang ersehnten Wunsch die Technik des Risskletterns zu erlernen. Dazu eignet sich besonders der im Val Formazza gelegene Ort Cadarese im Nordwesten Italiens.

Cadarese

Am 3. August direkt nach der Arbeit gings also los um am nächsten Tag gleich die ersten Cracks zu klettern. Übereifrig kassierte ich gleich zwei Strafzettel bei der 6-stündigen Fahrt, aber trotzdem kamen wir hochmotiviert um 2.00 früh am Parkplatz in Cadarese an. Nach einigen Stunden Schlaf starteten wir trotzdem recht früh um 9.00 in den Trad-Sektor „Crack Party“. Noch etwas wackelig und vorsichtig stiegen wir in die erste Route „Facile me larga“ (6a) ein, welche mit einem Off-width Finish (nur mit Cams Gr. 5/6 absicherbar) ein wenig mentale Stärke voraussetzt.

Die Routen sind meist mit mobilen Sicherungsmitteln abzusichern
Die Routen sind meist mit mobilen Sicherungsmitteln abzusichern

Wir beschlossen als nächste Routen richtige, einfache Cracks zu probieren um ein Gefühl für das Rissklettern zu bekommen. Gut eignen sich dazu die Routen „Scarpadetennis“ (5c) und „Ciao“ (5b) welche mit Hand-Cracks bzw. Finger-Cracks zu bewältigen sind. Zum Abschluss konnten wir noch die Route „La Freccia“ (6b+) und „Un pomeriggio da leoni“ (6c) klettern. Beides grandiose, anspruchsvolle Routen, die komplett mit mobilen Sicherungsmitteln abzusichern sind.

Un pomeriggio da leoni (6c)
Un pomeriggio da leoni (6c)
Way up to "The Doors"
Way up to „The Doors“

Da mir beim Aufstieg schon die Route „Hannibal“ (7a) ins Auge stach, wollte ich mich auch noch an dieser gebohrten Route probieren. Nach hartem Einstiegsboulder geht´s über leichtes Gelände und einen steilen Überhang, welcher mit Hand- bzw. Fist-Jams überwunden wird. Leider konnte ich in dieser Route nicht punkten, was den hervorragenden ersten Tag jedoch keinen Dämpfer geben konnte.

Hannibal (7a)
Hannibal (7a)

Andreas kletterte zum Abschluss noch die Nachbarroute „Lo Smidollato“ (6a) welche sich ebenfalls  als lohnend erweist.

Wider Erwarten konnten wir mit dem ersten Tag mehr als zufrieden sein, da wir grundsätzlich im „Rissklettern“ fast im gleichen Schwierigkeitsgrad ansetzen konnten wie wir es im „Wandklettern“ gewohnt waren. 🙂

Es muss aber auch angemerkt werden, dass einige Routen teils auch im Wandkletter-Stil geklettert werden können. In reinen Crack-Routen kommt man sich schon etwas unbeholfen vor. Vor allem die Beinarbeit ist maßgebend und anfangs ungewohnt und schmerzhaft.

 

Am nächsten Tag kletterten wir zuerst in den auffälligen, traumhaften Rissen am Beginn des Zentralsektors. Die Routen „Classica“ (6b) und „Nuova Scomessa“ (6b+) eignen sich besonders um seine Skills in Hand- und Faustrissen zu verbessern.

Cadarese Central
Cadarese Central

Einen leichten Dämpfer gab´s im Anschluss in der cleanen Route „Crack a Gogo“ (6c+), welche unumgänglich im Riss geklettert werden muss. „Perfect Hands“ und „Finger Cracks“ werden auch extrem schmerzhaft wenn die Beinarbeit nicht stimmt. Diese Route bleibt für uns beide wohl vorerst noch ein Projekt.

Crack a Gogo (6c+)
Crack a Gogo (6c+)

Die Route „Mission Gin Lemon“ (6b+) am rechten Ende des Zentralsektors erweist sich noch als knackige Route, in der alles von Finger Cracks über Off-width bis „Bamkraxeln“ geboten wird.

 

Nach zwei ergiebigen Tagen waren wir schon sichtlich gezeichnet. Ich wusste zuvor nicht, wie sehr man seine Hände in zwei Tagen ruinieren kann. Eine bessere Tape-Technik sei gefragt.

 

Jedoch kann man sich am kostenlose „Camping-Platz“ perfekt erholen. Ein frisches Bad im nahe gelegenem Fluss erweckt erneut die Lebensgeister. Das schöne am Val Formezza ist, dass es nicht so sehr touristisch angepasst ist, wie in anderen italienischen Tälern. Man bekommt abends nicht auf die Schnelle eine Pizza und die Kellnerin spricht auch nicht automatisch Englisch. Auch wenn der Park untertags gut besucht ist, vor allem am Wochenende, kehrte abends immer schnell Ruhe ein.

 

Am dritten Tag schlenderten wir schon recht groggy in den Crack-Wald. Mehr als ein halbherziger Versuch von uns beiden an der „Hannibal“ war leider nicht drin. Die Route muss bis zum nächsten Besuch warten.

Wir beschlossen noch den oberen Sektor zu besichtigen. Vor allem wollen wir uns den steilen, populären Fingerriss der „The Doors“ (8a) ansehen. Eine beeindruckende Route, welche noch in weiter Ferne liegt. Auch die benachbarten Routen schauen beeindruckend aus, jedoch fehlt uns die Kraft und Motivation um in eine der Routen einzusteigen.

Die berühmte Route "The Doors" (8a)
Die berühmte Route „The Doors“ (8a)

Um alle Sektoren gesehen zu haben, wandern wir noch in den untersten, eher neueren Sektor welcher nicht in unseren Topos eingezeichnet war. Wir lernten einen netten Tschechen kennen, der uns handgefertigte Topos dieses etwas schwerer zugänglichen Sektors, abfotografieren ließ. Der Sektor bietet cleane Kletterei eher im unteren Schwierigkeitsbereich. Wir konnten zum Abschluss noch eine schöne, mental anspruchsvolle 6b+ klettern.

Wir beschlossen an diesem Tag noch ins Tessin zu fahren, da Gumpi mir noch eine coole Route zeigen wollte, welche auf dem Heimweg lag. Angekommen bemerken wir schon das tropische Klima in diesem Gebiet, welches die Stechmücken in Scharen kommen ließ.

Tessin (7a+)
Tessin (7a+)

Nicht optimal, aber trotzdem starteten wir am nächsten morgen um uns die äußerst coole Route anzuschauen. 7a+. Leider blieb es bei einem Versuch, aber es lohnte sich allemal einen Blick auf die Route zu werfen.

Material

Cadarese

Friends in allen Größen (am besten doppelt) -> Cam Gr. 5/6 nur in bestimmten Routen

Keile in allen Größen

einige lange Expressschlingen

60/70m Einfachseil

Zeitaufwand

Zustieg vom Parkplatz (Campingplatz) bis in den untersten Sektor beträgt etwa 20 Minuten. In weiteren 10-20 Minuten erreicht man alle anderen Sektoren.

Fazit

Das Rissklettern ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber wenn man es erlernen will ist man in Cadarese toprichtig. Von leicht bis schwer, clean oder gebolted ist für Anfänger und Profis alles dabei. Die außergewöhnliche Kletterei und das angenehme Ambiente im Park lassen Cadarese ein wahres Erlebnis sein.

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