Der Dezember hatte in Tirol und Umgebung schon einiges im Eis zu bieten. Vor allem Angst und weiche Knie. Nachdem wir im November noch fleißig in den Nordwänden unterwegs sein konnten, läuteten Philipp und ich am 30. November die Eissaison in Lüsens mit dem „Linken Zwingenfall“ (WI5) ein. Unten noch eher Mixed präsentiert sich heuer die die Ausstiegssäule sehr mächtig. So gut, dass ich heuer (3 Wochen später) auch die linke Ausstiegsvariante (WI5+) klettern kann.

Linker Zwingenfall

Am 1. Dezember gings zu dritt auf in die Dolomiten. Genauer gesagt folgten wir dem Ansturm auf den Torre Innerkofler, welcher das Couloir Mistica nicht mehr ganz so mystisch erscheinen ließ. Bepackt mit Gleitschirm und arrogant wie eh und jeh steigen wir gegen 11.00 in die benachbarte „Anima Mundi“ (M6+) ein. Ohne Spur und ohne Eis folgen wir dem markanten und teils engen Gully. Die Verhältnisse lassen gerade noch eine Besteigung sinnvoll erscheinen. Dank unserem Zeitmanagements steige ich gegen 16.00 aus der Schlüssellänge aus, welche sich als schwer absicherbar und dezent trocken erweist. Der Ausstieg und gemütliche Abgleiter mit Schirm zum Greifen nahe, ist uns jedoch klar, dass wir nicht mehr rechtzeitig den Gipfel erreichen und treten deshalb den Rückzug an

 

Am 7. Dezember steige ich mit Bernie durch die ebenfalls gut frequentierte „Goulotte Holzknecht“ (WI5). Perfekte Verhältnisse mit hunderten Begehungen.

Beim ersten heurigen Lüsens-Besuch durften wir mitanhören, wie die erste Säule der „Hängenden Gärten“ das zeitliche segnete. Somit machten Pepi und ich uns am 9. Dezember auf um unsere Rechnung mit den „Felsigen Gärten“ (M8/WI6) zu begleichen. Pepi erkämpft sich einen Redpoint, somit musste ich ebenfalls ran. Hart, aber mit Reibungssteigeisen gut machbar kann ich in der Mixedlänge punkten und hänge auch noch die obrige Eislänge an. Zusammen gut 30 Meter. Perfektes, trockenes Eis, jedoch werden die „Hängenden Gärten“ heuer vermutlich nicht mehr bis zum Boden ranken.

Felsige Gärten

Weiter geht’s am 12. Dezember im Langental. Ein aktuelles Bild der „Piovra“(WI6) ließ mich nicht mehr los. Gumpi ist auch motiviert. Bei -15° starten wir ins Tal hinein. Alleine. Da die Neutour „Teufelsgeige“(WI5/M6) von Ladurner/Lemayr vermutlich noch keine Wiederholung hatte holten wir uns diese. In 2 Seillängen steigen wir aus der gut eingerichteten Tour aus. Sehr feine Tour, welche sich vermutlich nicht jedes Jahr bildet. Im Anschluss kann ich auch noch mein Objekt der Begierde klettern: „Piovra direkt“(WI6/+). Heuer steil und dünn gewachsen erscheint der Zahnstocher jungfräulich, aber ich kann in einer 55m-Seillänge durchsteigen. In meinen Schreien war vermutlich gleichzeitig Angst und Befriedigung bis nach Wolkenstein zu hören. Ein unvergessliches Erlebnis.

Teufelsgeige

Genug von Angst und Schrecken geht’s am 18. Dezember mit Johnny ins Pitztal um den Shark/Hexenbesen (WI6) seine Ehre zu erweisen. Schon in der 1. Seillänge zwingt mich ein unerbittlicher „Huarnägl“ mit beinahem Kontrollverlust über mein Bewusstsein und meinen Magen fast in die Knie. Die weiteren Seillängen verlaufen feucht und fröhlich und knapp bevor die Lawinen los sind, bräunen wir uns schon auf unserem Sonnenplatzl.

Shark

Am 20. Dezember suchen wir erneut Eis im Pitztal und nachdem die Monsterline noch eher dürftig erscheint durchsteigen Philipp und ich die Route „Nameless“ (WI5+), welche ganz brauchbare Verhältnisse hat. Unsere Entscheidung erweist sich als intuitiv richtig, da am nächsten Tag ein großer Teil des oberen Stockes der „Monsterline“ fehlte.

Eine kurze Wärmeperiode verhindert weitere Eisklettereien und somit verschlägt es Pepi, Chris und mich kurzfristig in die Kitzgartenschlucht. Nach ein paar Runden im steilen Eis, versuche ich mich im „Great Roof“ (M9+). Pepi konnte letztes Jahr diese massive Route klettern. An perfekten Hooks klettere ich ohne grobe Probleme im waagrechten Dach, bis unverhofft ein falsch gewählter Hook ausbricht und ich  kopfüber im Dach hänge. Naja, bei dem Seilzug mit nassem Seil wäre für mich kein rotpunkt möglich gewesen. Zum Abziehen des Seils sind zwei Leute notwendig.

GreatRoof

Am 28. Dezember steigen Philipp und ich im Grawa den Botanikerkamin (WI4+/M6), Schneewittchen (WI4+) und den 4. Zwerg (WI5). Insgesamt rund 500 Klettermeter in gut 5h. Cooler, feiner Tag mit vielen steilen Metern im Eis.

Botanikerkamin

Tags darauf werden erneut alle Vorsätze über Bord geworfen und ab geht’s in die Bletterbachschlucht. Meine Karotte immer vor den Augen, gibt’s für mich nur ein Ziel. Die abweisende und beängstigende Säule im Talschluss: „Eisgeist“ (WI6+). Wie in Trance und voll fokussiert ersteige ich den massiven Eispilz bis zum Einstieg der Säule. Ein feiner, leicht überhängender Kamin durchzieht die Säule. Wasser ist zu hören. Ich zögere. Zweifle. Bin jedoch zehn Minuten später schon mittendrin. Die Kletterei erscheint mir eher einfach, weshalb ich auch nicht viele Eisschrauben benötige. Am Stand schreie ich vor lauter Endorphinausschuss. Eine gewaltige Linie. Die 2. Seillänge  führt entspannt auf ein flaches Bachbett. Der letzte Aufschwung ist noch sehr dünn und erlaubt kein Schrauben und kein Schlagen. Nach zweimaligen Abseilen stehen wir wieder am Boden. Das mystische Ambiente ist kaum zu fassen. Bletterbach ist definitiv etwas Besonderes und wird uns bald wieder sehen.

Eisgeist
Eisgeist

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