Es Dämmert.

Gumpi und ich schlurfen die Loipe entlang ins hintere Lüsenstal. Unsere Blicke ständig nach vorne gerichtet, auf die Wand, die mir seit Jahren nicht mehr aus dem Kopf geht. Eigentlich sind wir viel zu spät dran, aber da wir noch keinen Plan haben wo wir eigentlich hinwollen, wollten wir im Zustieg etwas sehen. Eigentlich ist eigentlich ein blödes Wort. Aber…

Egal. (kann das eigentlich noch irgendwer „normal“ lesen?)

Wir versuchen im stärker werdenden Licht eine Linie zu finden, die bei den aktuellen Verhältnissen machbar erscheint. Bis jetzt wissen wir eigentlich nur wo wir nicht hinwollen. Letztes Jahr versuchte ich mich mit Mascht an der augenscheinlich logischsten Linie. Das Vorhaben endete damals allerdings schon in der zweiten Mixed- oder eher Fels-Länge. Das Gestein ist dort einfach zu Kompakt und mit mobilen Mitteln nicht absicherbar. Wobei die Grundidee der Linie damals eigentlich schon ganz gut war.
Mit zunehmendem Tageslicht und abnehmender Distanz zur Wand haben wir uns fast für eine Linie entschieden. Nach dem Motto »schaun ma moi donn seng ma scho« starten wir dann doch gleich wie letztes Jahr über kleinere Eisaufschwünge am tiefsten Punkt der Wand. Vor Beginn der Rinne queren wir allerdings links raus und versuchen dort unser Glück.

Rampe im Mittelteil

Es geht wieder los.

Die ersten mixed Meter sind noch recht gut abzusichern und relativ unschwierig bis zum Stand an einem „Bäumchen“ und 2 Eisgeräten im gefrorenen Gras. Der graserprobte Allgäuer hätte wohl seine Freude, ich mehr so Bauchweh. Die Zwischensicherungen die Gumpi in der nächsten Länge verbaut, lassen mich rätseln ob er die diverse Pflanzenteile – die aus dem Schnee ragen – am Seil befestigen wollte oder doch umgekehrt.

vor der Schlüssellänge

Kurz stapfen und weiter durch einen Kamin mit großen, losen Blöcken auf die erste Rampe. Der Übergang auf die mit Eisglasuren überzogenen Platten wird zum Eiertanz. Möglicherweise hat die Info bzgl. der Qualität des Standplatzes seinen Teil dazu beigetragen. Überraschenderweise ist der Fels immer noch so kompakt wie im Vorjahr. Ich mache einen kurzen Abstecher nach rechts zur Linie, die wir letztes Jahr im Auge hatten. Sieht zwar kletterbar aus aber recht schwer und so richtig Bock auf fürchten habe ich eigentlich grad nicht. Ich erinnere mich an einen versteckten Durchschlupf weiter links, den ich beim Vorbeifliegen mal gesehen habe, und steuere den an. Kurzes Schneegestapfe, bisschen Eis und „oha“ ein guter Standplatz. Der Durchschlupf vor uns sieht recht passabel aus. Zumindest auf den ersten Blick, bis der Kamin dann vom Schnee befreit war. 

Tja, das mit dem „nicht fürchten“ war wohl nix. Etwas rechts ausweichend bringe ich zwei Zwischensicherungen unter. Mehr schlecht als recht, entweder ist der Felsen hier kompakt oder brüchig. Für den Kopf reicht es allemal und schwubs bin ich über die steilste Stelle drüber.

Eigentlich eher so schwuuuuuuubs.
In Zeitlupe.
Super-Slomo quasi.

Erleichtert klettere ich oben raus auf das erste große Schneefeld. Die Euphorie dauert allerdings nur kurz. Standplatz: Mangelware und ich laufe wieder mal die 60m+ aus bis ich was Brauchbares finde. Als Gumpi dann bei mir ist habe ich nur einen Gedanken: wir müssen das Ding jetzt fertig klettern, ich will die Länge nicht noch mal hoch. Gerade weiter durch die letzte Steilstufe sieht es recht kompakt aus und wir entscheiden uns Diese ganz links über ein Band zu überwinden um auf das letzte Schneefeld zu kommen, welches dann auf den Nordgrat führt. 

Denkste.

Geschlagene zwei Stunden wühlen wir uns teils brusttief durch den steilen Grieß die 100hm hoch bis zum Band. Unter dem Schnee eine Mischung aus Eisglasuren und Felsplatten. Ich kann mich nicht entscheiden was mir lieber ist. Bei einem sind wir uns allerdings sicher: wir haben die Schnauze voll vom Wühlen. Ein kurzer Blick auf das Wandfoto erübrigt jegliche Diskussion. Die Hauptschwierigkeiten sind zwar hinter uns allerdings trennen uns noch gut 400hm Schnee wühlen vom Nordgrat.

Plan E.

oder so… wer zählt da schon mit.

Wir wühlen also noch paar Meter weiter bis ans Ende des Schneefeldes und queren Richtung Süden in das von Philipp 2019 eröffnete Ostwand Couloir. Wir klettern grob das Couloir runter, seilen zweimal über die letzte Stufe ab und stehen wieder am Wandfuß. Was dann folgt sollte jedem bekannt sein: Ski, Auto, Bier.

Und gerade dann, wenn der Bauch wieder bisschen Energie hat zum Denken, kommt erneut dieses eine Gefühl auf, auch wenn man vor gut vier Stunden eigentlich noch davon überzeugt war die Länge nicht mehr klettern zu wollen. Eigentlich.

Topo gibts hier.

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